Pisino, Pazin, Mitterburg - Dallapiccola
charakterisierte seinen Geburtsort einmal als „luogo d’incontro di tre
culture e di scontro di tre culture", als einen Ort an dem drei Kulturen,
die romanische, die slawische und die germanische aueinandertreffen, sowohl
im positiven, befruchtenden als auch im konfliktträchtigen Sinne.
Mit Kriegseintritt Italiens 1915 wurde das einzige italienische Gymnasium in
Pisino, an dem Luigis Vater Pio Dallapiccola Direktor war, von den
österreichischen Behörden geschlossen. 1917 musste die Familie Dallapiccola
Pisino verlassen und wurde in Graz interniert. Eine dortige
Opernaufführungen des fliegenden Holländers von Richard Wagner weckte bei
Luigi den Wunsch Musiker zu werden.
Nach dem Anschluss der Halbinsel Istrien und
Triests an Italien 1918 kehrte die Familie Dallapiccola nach Pisino zurück.
Noch während er die Schule in Pisino beendete nahm Luigi Klavierunterricht
im nahen Triest und entdeckte dort die Harmonielehre Schönbergs. Im Mai 1922
begibt sich Dallapiccola an das Konservatorium zu Florenz, wo er nach dem
Studium 1924 das Klavierdiplom erhielt. Eine Aufführung des ‘Pierrot
lunaire’ von Arnold Schönberg in Florenz im Jahre 1924 führte nun zu dem
Entschluss Komponist zu werden. Während seines Kompositionsstudiums
entstanden die frühesten Kompositionen, Gesänge auf Texte von Biagio Marin
(1924-26), vier Gesänge 'Della mia terra' auf Volksliedtexte der istrischen
Heimat (1928) und ‘Canzone
del Quarnero’, eine Vertonung eines Gedichtes von
Gabriele d’Annunzio (1930). Seit 1930 gibt er als Pianist zusammen mit
dem Geiger Sandro Materassi in verschiedenen europäischen Ländern Konzerte
und leistet Pionierarbeit für die Neue Musik (u.a. von Debussy, Ravel,
Strawinsky und Jánacek). 1931 erhielt er das Kompositionsdiplom und
übernimmt eine Lehrverpflichtung am Conservatorio di Musica L. Cherubini in
Florenz, die er 36 Jahre inne haben wird.
Den wahren Geist italienischer Musik fand
Dallappiccola in Gian Francesco Malipieros
Torneo notturno wieder, den er 1932 zum ersten Mal hörte und der
sein weiteres kompositorisches Schaffen beeinflusste.
Es enstanden ein Reihe von Kompositionen, eature
u.a. die Cori di Michelangelo (1933-35) und, infolge der
politischen Ereignisse wie der Abessinenfeldzug Mussolinis und der
spanische Bürgerkrieg, der Operneinakter
Volo di notte (1938), der das Leiden des Einzelnen und der
Vergänglichkeit des Lebens Ausdruck gibt, im Gegensatz zur
faschistischen Propaganda jener Zeit. Die Rassenkampagne in
Italien 1938 führte zur Komposition der Canti di Prigionia
(Preghiera di Maria Stuarda). Durch diese Kompositionen infolge der
politischen Ereignisse wurde Luigi Dallapiccola der erste Komponist
einer italienischen ‘musica impegnata’.
Luigi Dallapiccola in Florenz 1958 |
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In den Kriegsjahren 1942-45 entstanden die
‘Liriche greche, bei denen die Zwölftontechnik zum erstenmal
vollständig angewendet wurde und das Ballett
Marsia (1943). Im gleiche Jahr wurde Mussolini gestürzt und Italien
von den deutschen Truppen besetzt. Es begannen die Judenverhaftungen.
Luigi Dallapiccola und seine jüdische Frau Laura Luzzatto verliessen
Florenz und fanden Zuflucht bei Freunden in einer Villa in Fiesole. Dort
entstanden ersten Entwürfe des Il Prigioniero, das Hauptwerk der
40er Jahre.
Die 50er und 60er Jahre sind geprägt durch
Reisen und Lehrtätigkeit von Canada über Californien und Mexico City bis
nach Buenos Aires. Er nimmt teil an Kongressen, hält Vorträge und gibt
Konzerte in vielen europäischen Ländern, insbesondere in West-Deutschland.
1951 und 52 gibt Dallapiccola Kompositionskurse am Berkshire Music Center in
Tanglewood, wo die Tartiniana I entseht, eine Hommage an den
Violinisten Giuseppe Tartini, der
ebenfalls aus seiner Heimat Istrien stammt, die nach dem Krieg unter
jugoslawische Verwaltung gefallen ist. 1956 enteht die Tartaniana II.
Er gibt Kompositions- und Analyse-Kurse am
Queens College in Flushing, NY (1956, 57, 59, 67) und am Instituto Tarcuato
di Tella in Buenos Aires (1964).
Es entstanden die Canti di Liberazione
(1955), die Thomas Mann gewidmet sind, mit dem Dallapiccola in regen
Austausch stand. Mit den 'Canti di Liberazione' endet eine Triologie, deren
Anfang die Canti di Prigionia
darstellt und das Mittelstück durch den Operneinakter Il
Prigioniero gebildet wird.
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Die Oper Ulisee (1960-1967) nennt
Dallapiccola ‘il risultato di tutta la mia vita’. Um sie zu beenden,
kündigte er 1967 seinen Lehrauftrag am Konservatorium in Florenz und zog
für das folgende Jahr nach Berlin, in die durch eine Mauer geteilte und
von den Siegermächten besetzte Stadt, wo die Ulissee 1968 an der
Deutschen Oper in West-Berlin uraufgeführt wurde.
Eine rege Lehr- und Vortragstätigkeit führte ihn
anschliessend durch viele europäischen Länder, u.a. zum Londoner Royal
College of Music und zur Universität Leeds. Es folgten Kompositionen auf
Texte des spanischen Lyrikers Juan Ramón Jinénez (1970) und Paulinus
von Aquileia (1971).
Am 19. Februar 1975 starb Dallapiccola an
den Folgen eines Lungenödems in Florenz. Das Kindheitserlebnis von Krieg,
Fremdherrschaft und Internierung spiegelt sich im Gesamteoeuvre
Dallapiccolas wider, dessen grosse Werke tief in die zeitgeschichtlichen
Ereignisse verwurzelt sind. Luigi Dallapiccola ist einer der bedeutendsten
europäischen Komponisten des 20.
Werke
Ehrungen:
- 1953 - Mitglied der bayerischen Akademie
der schönen Künste
- 1958 - Mitglied der Berliner Akademie der
Künste
- 1962 - Großer Kunstpreis des Landes
Nordrhein-Westfalen für Musik
- 1964 - Ludwig-Spohr-Preis der Stadt
Braunschweig
- 1967 - Moretti d’oro Musikpreis der Region
Friuli-Venezia Giulia
- 1969 - Mitglied der Royal Academy of Music
in London
- 1969 - Mitglied der Akademie für Musik und
darstellende Kunst in Graz
- 1972 - Prix Arthur Honegger, Paris
- 1973 - Doctor musicae h. c. der
Universität Durham
- 1973 - Doctor musicae h. c. der
Universität Edinburgh
- 1973 - Feltrinelli - Preis für Musik der
Accademia Nazionale die Lincei
- 1973 - Grosskreuz des Verdienstordens der
Republik Italien
- 1975 - Internationaler
Albert-Schweitzer-Kunstpreis
Schriften Dallapiccolas:
-
On Opera, Selected writings of Luigi Dallapiccola, Vol 1,
Toccata Press (1987)
-
On Music and Musicians, Selected writings of Luigi Dallapiccola,
Vol. 2, Toccata Press
-
Luigi Dallapiccola. Parole e musica.
Hrsg. v. F. Nicolodi, Mailand 1980, il Saggiatore.
Literatur über Dallapiccola:
-
Kämper, Dietrich. Gefangenschaft und
Freiheit. Leben und Werk des Komponisten Luigi Dallapiccola.
Verlag Gitarre und Laute, Köln 1984. 210 Seiten.
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