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Konzert in E Dur
Ed. © Enrica Bojan
Dieses Konzert in E Dur D.48 wurde zwischen 1724 und 17351
komponiert und zeigt einen soliden, formalen Aufbau und rhythmische
Energie, besonders im 1.und 3. Satz, der eine lange cadenza a capriccio2
aufweist.
Excerpts (click
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First Movement |
Second Movement |
Third Movement |
Für diese kritische Ausgabe wurden 4
Hauptquellen verglichen: das autographe Manuskript DVII 1902 n.453,
das sich in Padua in den Musikarchieven der Basilica Antoniana befindet;
die Handschrift der Konservatoriumsbibliothek in Paris, Grand Fond,
ms11228/14 (beide Quellen werden von Dounias in seinem Katalog zu
Tartinis Opus angeführt4); das
Manuskript von Berkeley, in der Musikbibliothek der Universität von
Kalifornien, It.8795; die Stimme für
Sologeige von der Stadtbibliothek in Udine (diese beiden Quellen werden
von Dounias nicht zitiert, jedoch von Nesbeda in seinem letzten Katalog6).
Die autographe Handschrift besteht aus einem
Deckblatt und 8 Quart-Blättern mit 14 Notenlinien. Das Deckblatt trägt
die Aufschrift 'Concerti Tartini / Partitura n.91'. Diese Nummer wurde
später zu 45 geändert und auch weiter oben auf der Seite gedruckt.
Das Manuskript ist schwierig zu
interpretieren, da es sehr dicht beschrieben ist; jedoch ist die
Handschrift klar und sauber. Es gibt bedeutende Korrekturen und mehrere
Kürzungen. In einigen Passagen werden chromatische Vorzeichen nicht
genau angegeben, als wären sie in Eile geschrieben. Im ersten Satz, Takt
76-79 des Basso, gibt es eine sichtbare Kürzung(S.2 des Manuskripts).
Offenbar bevorzugte Tartini Stille und danach eine Reihe langer Noten di
bordone; das Violoncello imitiert nicht wie die anderen Stimmen Rhythmus
und Meoldie. Eine andere Kürzung gibt es in der Viola-Stimme, Takt
121-122 im ersten Satz(S.4). Die gestrichenen Takte wurden durch zwei,
auf eine leere Notenlinie geschriebenen, ersetzt. Eine weitere
Intervention in allen Stimmen, Takt 106 im 3.Satz (S.6), ist
konsequenter. Ein ganzer Teil von 12 Takten, mit 'Soli' bezeichnet, ist
völlig gestrichen. Diese melodische Phrasierung, harmonisch komplett,
wurde nicht ersetzt.
Das Pariser Manuskript besteht aus einem
Titelblatt und 11 Blättern(5 Seiten),numeriert von 115-125; sie gehören
zu einem Band mit anderen Konzerten. Das Titelblatt trägt die Aufschrift
'Tartini/49 Violin Concertos(Vol:C)'und die Nummern der Bibliothek. Das
erste Blatt mit Notenlinien weist eine interessante Anmerkung auf:
'Concerto del Sig.r Giuseppe Tartini.Con viola e violoncello
obligati.Originale'. Die Notenschrift, sehr klar und genau, zeigt die
Stimmen und Ausführung der Virtuoso-Passagen ganz präzise. Die Quelle
wurde herangezogen, um die autographe Handschrift zu verstehen und
fehlende Stimmen in einigen Fällen einzufügen. Die saubere Schrift und
das Wort 'originale' deuten darauf hin, dass diese Kopie von einem
Tartini bekannten Kopisten stammt, vielleicht sogar unter seiner
direkten Anweisung entstand.
Die Berkeley Handschrift besteht aus
einzelnen Stimmen auf Quartseiten (18 Blätter, numeriert von 1-14) mit
je 10 Notenlinien. Die losen Stimmen sind jeweils violino principale,
violino primo obligato, violino secondo obligato, alto viola obligata,
violoncello obligato.
Das erste Blatt mit Musik wird als Deckblatt
verwendet, mit der Aufschrift 'Violino principale/concerto/del Sig:r
Giuseppe Tartini', ohne weitere Anmerkungen. Die Schrift ist wiederum
klar und sauber ohne Korrekturen oder Streichungen. Die Bezeichnungen
"Tutti, Solo und Soli" sind die gleichen wie in der Pariser Handschrift
und präziser als in der originalen. Wie im Pariser Manuskript sind die
Abweichungen von Tartinis Original minimal. Das Bekeley Manuskript ist
dem französischen sehr ähnlich und wahrscheinlich zu einem späteren
Zeitpunkt geschrieben; das Setzen von Vorzeichen ist ähnlicher dem
modernen Gebrauch als der Praxis des 18.Jhs.
Die Stimme für Sologeige aus der Bibliothek
von Udine besteht aus einem Titelblatt mit Notenlinien und der
Aufschrift 'Concerto/del Sig.r Giuseppe Tartini/Violino principale',
sowie aus 4 Blättern über 2 Seiten. Es ist unklar, ob diese Stimme für
Sologeige die einzig erhaltene einer Reihe verlorener Konzerte Tartinis
ist, die mit anderen Stimmen lose in einem Band aufgehoben war, wie im
18. Jh. üblich.
In der autographen Handschrift von
Tartini gibt es am Anfang des 1.und 2.Satzes zwei lange "motti cifrati",
die von Dounias in seinem Katalog7
mit den Versen übersetzt werden 'Volgetemi amoroso un guardo più
pietoso, o luci belle, sì, ma troppo fiere' and 'Rondinella vaga e bella
che dal mar faccia tragitto lascia il nido e all'aere infido fida il
volo e la speranza'8. Diese
poetischen Verse, metrisch komplett, spiegeln die gesprochenen und
gesungenen Worte des Melodramas wider und enthalten zeitgenössische
Anspielungen auf 'Arcadia'. Ihr Ursprung konnte nicht eruiert werden.
Allerdings gibt es Anzeichen einer Verbindung zwischen Tartinis und
Vivaldis Werken aus derselben Periode.9
Es sollte daher nicht überraschen, eine verschleierte Anspielung auf
eine Passage des venezianischen Komponisten zu finden; wahrscheinlich
Teil eines oft aufgeführten 'pasticcio'.10
Dem letzten Forschungsstand zufolge ist ein
"motto" weder ein literarisches noch ein melodramatisches Zitat, sondern
einfach die silbenweise Anlehnung an die Melodie der Sologeige.Diese
Theorie ist derzeit jedoch nicht sehr weit verbreitet.Wenn sie stimmt,
müsste untersucht werden, warum Tartini so einen kryptischen Weg wählte,
um seine Stücke zu bezeichnen. Wahrscheinlich hatten diese 'motti' einen
ganz privaten Bezug, da sie nur im autographen Manuskript und nicht in
den späteren Quellen erscheinen, nicht einmal in der Pariser
Handschrift, die als 'Original' bezeichnet wird.
Das Studium von Tartinis Partitur wirft
Probleme bezüglich des Orchesters auf, dessen Zusammensetzung vom
Komponisten gewöhnlich nicht angegeben wird.11
Normalerweise wurden Tartinis Konzerte in der Basilica del Santo zu
Padua bei feierlichen Anlässen aufgeführt.12
Wahrscheinlich übernahm Tartini meistens das Solo (seit 1721 war er
„erster Geiger und Konzertmeister" in Padua). Dokumentarische
Überlieferungen sowie sein Traité des agrémens bezeugen, daß ihm ein
hervorragendes Orchester zur Verfügung stand, gewohnt, bei derartigen
Aufführungen zu glänzen.13 Dadurch
waren detaillierte musikalische Anmerkungen in der Partitur nicht nötig.14
Allein auf der Basis der Originalpartitur können wir jene Passagen, die
von Tartini mit 'Tutti' im 1.und 3.Satz bezeichnet werden,
folgendermaßen zuordnen: die erste Notenlinie für die Sologeige und die
ersten Geigen gemeinsam, die zweite für die 2.Geige 'obbligato'(oder
eine Gruppe zweiter Violinen), und die letzte, im Baßschlüssel, für das
Violoncelllo als basso continuo (obbligato zufolge der Berkeley und
Pariser Quellen). In den mit Solo und Soli bezeichneten Passagen finden
wir zusätzlich zur Sologeige erste und zweite Geigen auf derselben
Notenlinie im Violinschlüssel, manchmal kontrastierend und dann wieder
im Einklang; Viola und Violoncello begleiten harmonisch15.
Im Gegensatz dazu stehen drei Teile des
2.Satzes im Violinschlüssel (für Sologeige, erste und zweite Violinen)
und eine im Baßschlüssel. Die Viola setzt aus.
Im autographen Manuskript gibt es keine
Stimme für ein Tasteninstrument als basso continuo; es gibt keine
Bezifferung, und die untersten Noten werden nur durch den Baßschlüssel
am Anfang jeder Notenlinie angegeben. Die Forschung schliesst den
Gebrauch des Klavichords aus; einige Elemente außerhalb der
Originalpartitur sowie Dokumente nicht rein musikalischer Natur scheinen
aber den Gebrauch der Orgel zu bekräftigen; die Konzerte wurden ja für
die Basilica del Santo geschrieben und in ihr aufgeführt, und in diesem
religiösen Umfeld war die Orgel souverän.16
Die heutige Forschung ist einig, dass der basso continuo die Passagen
begleitet, die mit 'Tutti' angegeben sind und bei den mit 'Soli'
bezeichneten ausfällt.17 In diesem
Konzert allerdings hat der Basso, der in der Berkeley und Pariser Quelle
dem Violoncello obbligato zugeordnet ist, eine ausdrückliche Rolle auch
in den mit Soli bezeichneten Stellen. Der basso continuo wird in dieser
kritischen Ausgabe nicht ausgeschrieben, sondern nur komplimentär zur
Stimme des Violoncello angedeutet; die Ausführung bleibt der Diskretion
des Spielers überlassen.18
In der autographen Handschrift gibt es keine
Tempobezeichnungen. In allen anderen Quellen stehen sie am Anfang jeder
Passage. Hier wurden die Bezeichnungen Allegro, Largo, Allegro wieder
eingeführt. Wir folgen getreu dem Originalmanuskript; alle Einfügungen
wurden auf die Modernisierung des graphischen Image beschränkt. Es
wurden keine dynamischen Vorzeichen hinzugefügt, da sie für den
sorgfältigen Spieler evident sein sollten. Der Gebrauch eines 'b'zur
Neutralisierung eines # wurde durch ein Auflösungszeichen ersetzt, um
dem modernen Gebrauch gerecht zu werden; ein # vor einer bereits
erhöhten Note wurde ein modernes Doppelkreuz. Fehlende Vorzeichen im
Original wurden in [], und Vorsichts-Vorzeichen in () Klammern gesetzt.
Die Bindungen und Phrasierungsbögen wurden
beibehalten, einige gestrichelte Bögen wurden vom Herausgeber
hinzugefügt. Verzierungen stammen vom Original und haben keine
Anregungen zur Ausführung. Die Regeln des 18.Jh. für Routineausführungen
der Verzierungen und Kadenzen bei Tartini sind noch immer nicht geklärt,
obwohl der grosse Geiger die "Kunst des Bogens" für seine eigenen
Schüler geschrieben hatte.19 Diese
Ausgabe soll einen kritischen Text darstellen, der musikalisch und
historisch dem Original verpflichtet ist und daher so weit wie möglich
originalgetreue Aufführungen erlaubt.
- Nach Dounias gehört
das Konzert D.48 in Tartinis erste Schaffensperiode, siehe
M.DOUNIAS, Die Violinkonzerte Giuseppe Tartinis, Zürich, Möseler
Verlag,1935 (Neuauflage Wolfenbüttel,1966),S 265-266.Tartinis Werke
sind darin nach Tonalität und nicht chronologisch geordnet.
Pierluigi Petrobelli zufolge endet Tartinis erste Periode zu Beginn
der 1740er Jahre.
- Capri beschreibt es
als 'erstes in der zweiten Sammlung,n.25'(siehe A.CAPRI, Giuseppe
Tartini, Milan,Garzanti,1945, S 251-252).In seinem 'Katalog' bringt
Dounias den ersten Satz dieses Konzerts in Verbindung mit D.99 in A
Dur. Ihm zufolge entsprechen die Themen der beiden Konzerte
einander.
- Zugang zum autographen
Manuskript war dank der freundlichen Hilfe des Direktors der
Bibliotheca del Santo, Padre Giovanni Luisetto, möglich.
- Siehe M.DOUNIAS, Die
Violinkonzerte Giuseppe Tartinis,a.a.O.,S 265-266.
- Der Music Library of
the University of California, Berkeley, sei für die Erlaubnis, Teile
dieser Quelle zu veröffentlichen, gedankt.
- F. NESBEDA,Catalogo
delle composizioni, in VERSCHIEDENE AUTOREN, Giuseppe Tartini nel
terzo centenario della nascita, hgg.von M.Sofianapulo,
Trieste,Tegeste Verlag,1992,S 111-112.
- Siehe M.DOUNIAS, Die
Violinkonzerte Giuseppe Tartinis,a.a.O.,S 265-266.
- 'Sieh mich mit
liebenderem Blicke an, oh schönes, jedoch stolzes Auge' und 'Die
kleine, schöne Schwalbe, die über dem Meere fliegt, verlässt ihr
Nest und legt ihr Vertrauen, ihre Hoffnung und ihren Flug in die
Hände des trügerischen Himmels'. In seinem Band Die Violinkonzerte
Giuseppe Tartinis,a.a.O. S 94-95, entziffert Dounias Tartinis
persönliches Alphabet, und weist auf Ähnlichkeiten vieler Texte mit
Versen von Metastasio hin. Das 'Motto',das den Anfang jedes Satzes
begleitet, kann nicht als typisch für Tartini angesehen werden, da
es sehr selten gebraucht wird. Auch impliziert die Verwendung eines
kryptischen Alphabets, dass der Autor keine sekulären Elemente in
seine für die Kirche bestimmten Werke einführen wollte. Weitere
Literatur zu diesem noch ungelösten Problem siehe VERSCHIEDENE
AUTOREN, Motti tartiniani: nuove concordanze, nuovi problemi, und
ebda.,Tartini. Il tempo e le opere, A.Bombi& N.M.Massaro Eds.,
Bologna,il Mulino,1994, S 389-394.
- Siehe E.Bojan,
Introduzione bei TARTINI, Concerto in G Dur D.82, Launton, Edition
HH, S viii., und mit weiteren Referenzen für alle Dichter und
Librettisten der Texte von Vivaldi.
- Siehe A.BELLINA,
B.BRIZI, M.G.PENSA, I libretti vivaldiani. Recensione e collazione
dei testimoni a stampa,Florenz, Olschki,1982.
- Für einen Überblick
über den derzeitigen Forschungsstand von Tartinis Werken siehe
F.NESBEDA, Catalogo....,a.a.O.,S 104-144.Immer nützlich ist
P.Petrobelli, Giuseppe Tartini. Le fonti biografiche,
Wien,London,Milano, Universal Edition,1968.
- Siehe P.PETROBELLI,
Tartini, le sue idee e il suo tempo, Lucca, LIM,1992, S 115-116;
M.CANALE DEGRASSI, Destinazione e aspetti esecutivi dei concerti per
vionlino die G.Tartini: contributi per un approfondimento in
VERSCHIEDENE AUTOREN, Intorno a Locatelli, hg. A.Dunning, Lucca,
LIM, 1995, S 152-163.
- Dazu siehe auch
E.FARINA, Pubblicare oggi le opere di Tartini, in Tartini. Il tempo
e le opere,a.a.O.,S 401-408.
- Dazu siehe
P.PETROBELLI, Per l'edizione critica di un concerto tartiniano, in
Tartini, le sue idee e il suo tempo,a.a.O., S 109-136; M.CANALE
DEGRASSI,ebda.,S 151-173. Das Orchester wurde an Hand von anderen
Konzerten und Dokumenten rekonstruiert.
- Dazu siehe
P.PETROBELLI, ebda., S 111-136.
- Ebda., S 134-135. Für
dieses Problem gibt es noch keine definitive Antwort.
- E.FARINA, ebda., S
404-405.
- Die Forschung scheint
einig, Tartini habe den linearen Klang des Solo-Cellos der
harmonischen Dichte eines Tastaturinstruments vorgezogen. Siehe
E.FARINA, ebda., S 408.
- Traite des agremens
wurde von Tartini nie veröffentlicht und erst 1771 in Paris von
P.Denis übersetzt und mit demselben Titel gedruckt. Das
wahrscheinliche, italienische Original trägt den Titel Regole per
ben suonare il violino. Dazu siehe VERSCHIEDENE AUTOREN, fonti
tartiniane: alcune annotazione, und L. GRASSO CAPRIOLI, Lessico
tecnico e strutture linguistiche di Tartini didatta nelle 'Regole
per be suonare il violino', in VERSCHIEDENE AUTOREN, Tartini. Il
tempo...,a.a.O., S 395-400 und S 281-298. Die letztgenannte Studie
zitiert die wichtigsten Schriften dieser Zeit zu Verzierungen (von
J.J.Quantz, C.Ph.E.Bach, L.Mozart) und unterstreicht die Eigenart
von Tartinis System. Dazu sei bemerkt, dass der Triller (und der
kurze Triller, heute Mordent oder Prallerzeichen)im Gebrauch des
18.Jhs. normalerweise von der oberen Note beginnen würde, und dass
die Vorschlagsnote genauso gespielt wurde wie heute.
Padua Januar 2000
© Enrica Bojan
Übersetzung Burgi Hartmann |